Interviews
„Zufrieden sein ist ein guter Zustand“ – Von Brücken im Interview
Die Band Von Brücken spielteim Februar ein wunderschönes Konzert im Münchner Freiheiz. Vor dem Konzert hatten wir die Gelegenheit, mit Nicholas Müller und Tobias Schmitz bei strahlendem Sonnenschein ein Interview zu führen.
museek: Ihr habt wunderschönes Wetter mitgebracht. Habt ihr auf Tour die Zeit, solche Tage zu nutzen oder ist alles einem strickten Zeitplan unterworfen?
Nicholas Müller: Ich hatte tatsächlich vor, später nochmal vor die Tür zu gehen, ja.
Tobias Schmitz: Das hab ich auch vor, so wie gestern schon. Es ist schön, wenn man nicht den ganzen Tag in irgendwelchen Backstage-Räumen oder im Bus rumhängt.
Nicholas: Wobei ich zugeben muss, dass ich es auch manchmal ganz charmant finde, in einem Club einfach nur so rumzusitzen. Ich war schon so oft in München und hab‘ so wenig gesehen, heute geh ich auch mal vor die Tür.
Tobias: In der Eifel war Schnee bis vor ein paar Tagen, da ist das hier heute definitiv ein Fortschritt.
Tour-Auftakt war in Hamburg, danach habt ihr in Leipzig gespielt. Was erwartet ihr euch von München?
Nicholas: Es hat sich herausgestellt, dass wir eine Band sind, der man anscheinend gerne zuhört. Das ist so ein aktives Zuhören. Man tanzt wenig aber hört viel zu. Das finde ich ganz angenehm weil ich genau so ein Konzertgänger bin. Ich hab noch nie auf Konzerten getanzt. Ansonsten sind die Erwartungen an uns, dass wir es wuppen und ans Publikum, dass sie Spaß haben. Was will man mehr?
Tobias: Es kommt so langsam ein bisschen Routine rein. Ein paar Stellschrauben gibt’s dann immer noch an denen man dreht aber im Prinzip sind wir jetzt voll drin. Wir sind bereit.
Wer beim Konzert tanzt hat kein Geld zum Saufen, sagt man ja.
Nicholas: Ja genau, so sieht’s nämlich aus.
Ihr werdet vom Label angekündigt als „Die Band des ehemaligen Sängers von Jupiter Jones“ und „Die Stimme von Jupiter Jones mit neuer Band“. Macht es das einfacher beim Publikum Gehör zu finden?
Tobias: Es wäre gelogen zu sagen, dass es kein Startvorteil ist.
Nicholas: Es wäre auch total unfair den alten Jupiter Jones Fans gegenüber, die uns auch bei Von Brücken die Treue halten, als auch den ganzen jungen Bands gegenüber, die wirklich von Null auf starten. Also wir sind aus so einem gesunden Mittelfeld heraus gestartet, dass die Sache natürlich erleichtert aber nicht unbedingt komfortabel macht. Wir konnten uns nicht auf den Meriten ausruhen und sagen, das läuft schon. Das kaufen die Leute schon. Wir mussten schon auch unseren Teil dazu tun. Wir spielen ja auch keine 1.500er-Hallen sondern die kleinen Venues, ohne da jetzt direkt groß durchzustarten.
Also fühlt ihr euch nicht im Vornherein abgestempelt oder in eine Schublade gesteckt?
Tobias: Ich finde es ganz toll, dass das thematisiert wird aber sich die Vergleiche in Grenzen halten. Wenn es in Artikeln über Von Brücken geht fallen da kaum Vergleiche der Sorte „das ist jetzt aber besser“ oder so. Es wird als etwas Neues wahrgenommen und das ist echt schön.
Wie unterscheidet sich die Arbeit bei Von Brücken zwischen der Arbeit bei euren vorherigen musikalischen Stationen?
Nicholas: Beim Songwriting war es bei Jupiter Jones so, da wir ja so überall im Lande verstreut gewohnt haben, sehr viel über das Internet und Emails gelaufen ist. Das fand ich ganz charmant und das habe ich auch oft gelobt, allerdings habe ich jetzt gemerkt, dass es auch schön ist, das Vis-a-Vis zu machen. Tobi und ich arbeiten eigentlich meistens zusammen. Tobi kommt dann mit ner konkreten Idee und ich komm vielleicht auch mit ner konkreten Textidee aber der Song wächst dann in Kooperation. Zunächst auch mal im selben Raum. So ein direktes Feedback zu bekommen ist unheimlich viel wert. Das beschleunigt die Sache so ein bisschen und macht es vor allem viel nahbarer für uns beide, weil sich jeder dem anderen gegenüber erklären kann.
Tobias: Man weiß auch direkt, wo will der Andere hin. Das ist ein wenig wie Ping-Pong. Wir spielen uns gegenseitig die Bälle zu und erarbeiten uns so die Song. Wenn dann später die komplette Band dazukommt, bekommt man dann nochmal ein paar Ideen, wie man das ganze dann noch weiter ausschmücken könnte.
Nicholas, ist es einfach für dich, deine Gedanken zu Papier zu bringen? Themen bietet das tägliche Leben ja zu Genüge aber die wollen ja auch textlich verarbeitet werden.
Nicholas: Sagen wir mal so: Ich habe es nie gelernt. Nicht studiert und gar nichts. Es ist eigentlich ein sehr schmerzhafter Prozess und ich finde, dass sollte es für jeden Texter sein. Manchmal schreibt man einen Text runter und der ist dann gut. Das ist aber selten. Wenn man sich wirklich Gedanken macht, dann dauert das lange. Im Gegensatz zu anderen kreativen Schreibstilen, bei denen man auch mal ausufern kann und wie in einem Buch eine Szenerie über drei bis vier Seiten beschreiben kann. Bei einem Songtext gibt’s oft nur eine Liedzeile, um einen kompletten Lebensmoment aufzuschreiben. Einfach ist das bei Gott nicht.
Tobias: Am schwierigsten ist immer der Anfang und das Ende. Nicholas kämpft immer am längsten mit der ersten Zeile und dann wieder mit der letzten Zeile. Denn schließlich ist es das, was der Hörer als erstes hört und als letztes im Kopf bleibt.
Beachtet ihr beim Arrangement und beim Songwriting schon gleich die Tatsache, dass ihr live insgesamt acht Leute auf der Bühne seid inklusive Band? Werden die Songs so aufgebaut, dass jeder seinen Platz darin hat oder ergibt sich das dann später?
Tobias: Ich glaube wir wollten von Anfang an dass es möglich ist, groß zu denken. Mit vielen verschiedenen Klangfarben arbeiten aber die Band war nie von Tag 1 an gesetzt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wussten wir, welche Instrumente wir ungefähr zur Verfügung haben und dann nutzt man das natürlich aus. Wäre ja auch blöd, wenn nicht.
Gibt es für euch einen Lieblingssong auf der Platte?
Nicholas: Ja, „Die Parade“. Eigentlich macht jeder Song Bock aber „Die Parade“ ist eigentlich so das Herzstück geworden. Sitzt in der Mitte der Platte und ist ein bisschen so der Kompass für das, was rechts und links davon passiert.
Tobias: „Gutmensch“ ist für mich auf der Tour extrem gewachsen. Auf dem Album war das nicht unbedingt mein Lieblingstrack aber live stellt er sich als ziemlich gut heraus und hat einfach eine gute Energie.
Mein Lieblingssong ist „Immerhin (Für die Trauer)“. Anfangs habe ich den Song fast ein bisschen gemieden weil der Titel so traurig und depressiv klang. Mit über sieben Minuten ist der Song auch nicht gerade kurz aber er hat diesen fast schon epischen Instrumentalteil über 3 Minuten. Ganz großes Kino.
Tobias: Da war ein bisschen Sigur Ros mit im Kopf.
Was ist die Geschichte hinter dem Song?
Nicholas: Ich habe festgestellt, dass viele Stationen meines Lebens viel schöner gewesen wären, wenn sich nicht von trauer überschattet gewesen wären. Trauern ist für mich ein essentieller Bestandteil von erinnern. Ich hatte Angst das Menschen, die ich vermisst habe, aus meiner Erinnerung verschwinden, wenn ich sie nicht mehr betrauere. Das ist eigentlich auch totaler Schwachsinn. Ganz konkret geht es auch um meine Mutter. Wenn die wüsste, dass ich immer noch um sie trauere, was ich wirklich viele, viele Jahre getan habe, die wäre stinksauer. Sie würde sagen, dass es ok war traurig zu sein aber das es Zeit ist, nach vorne zu schauen und weiter zu machen. Deswegen ist der Song auch in keiner depressiven Grundsimmung verfasst, sondern eher in einer hoffnungsvollen. Das tat zwar auch kurz weh aber dann war es auch wieder ok.
Das Album „Weit weg von fertig“ ist im Oktober 2015 erschienen. Habt ihr schon Pläne für die Zeit „Ganz kurz nach fertig“, nach der Tour?
Tobias: Wir wollen dann schnellstmöglich neue Songs schreiben. Auf Tour spielen wir Songs, die für uns schon ein Jahr alt sind und man hat das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um weiter zu gehen. Neue Songs sollten dann entstehen, wenn man was zu sagen hat und nicht aus einer Art Zwang heraus. Ich glaube, dass das jetzt bald soweit ist. Eine Tour inspiriert eben auch und diese Eindrücke kann man dann wieder einfangen und mitnehmen.
Der Rubel muss rollen.
Nicholas: Nein, nein. Wie du schon gesagt hast, ist auch der ein oder andere überlange Song auf dem jetzigen Album. Allerdings bewusst so auf Überlänge geschrieben, dass man ihn nicht in der Mitte durchschneiden und kürzen kann. Zumindest was das Radio angeht ist es als keine „Rubel-Platte“.
Tobias: Wir konnten wirklich aufnehmen was wir wollten, ohne das uns jemand reingequatscht hat. Bis ganz zum Schluss nicht.
Nicholas: Da hatten wir tatsächlich großes Glück. Es ist ein Major-Label (Anm. der Redaktion: Sony Music) und wir haben denen eine fertige Platte in die Hand gedrückt, ein fertiges Cover und eigentlich auch einen fertigen Mix und ein fertiges Master. Der einzige Wunsch der kam war der, bei den Singles das Rauschen zu reduzieren. Das hatten wir eigentlich bewusst dringelassen, um die Atmosphäre besser einzufangen. Im Radio kann man das natürlich nicht anbieten. Da drücken die Leute auf die Sendersuch-Taste, wenn es erstmal aus den Boxen rauscht. Aber ansonsten war die Reaktion einfach nur fantastisch.
Tobias: Wir haben das einfach so gut rübergebracht, dass die einfach gesagt haben „macht ihr mal“.
Und außerdem bist du ja „Die Stimme von Jupiter Jones“.
Nicholas: Ja, ja. Genau. Du hast ja schon eine erfolgreiche Single gehabt, deshalb bist du ab hier vogelfrei (lacht). Das soll jetzt nicht nach überzogenem Selbstbewusstsein klingen, überhaupt nicht. Ich glaube ganz einfach, dass wir das Meiste auf der Platte wirklich richtig gemacht haben. Es fühlt sich immer noch richtig an und das ist ein sehr zufriedenstellender Zustand. Zufrieden sein ist ein guter Zustand.
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