Artists & Bands
Talco – Party, Partisanen, Punkrock, Poesie und Politik!
Alles begann Anfang der 2000er Jahre in der Italienischen Industriebrache Marghera vor den Toren Venedigs, als TALCO angewidert von den Zuständen unter der Berlusconi-Regierung und der damit einhergehenden Agonie ihrer Generation ihren Dissenz in der Musik ausdrückten. Bereits das 2004 veröffentlichte jugendliche und skatepunk-artige Debüt “Tutti Assolti” erhielt über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit und ebnete der Band einen Weg weit über örtliche linke und selbstverwaltete Zentren& Squats oder Auftritten bei Demonstrationen in den Nachbarstädten hinaus auf größere Bühnen, auch im Ausland. Angetrieben von ihrem charmismatischen Frontmann Dema zielt die Band seit jeher auf die Versäumnisse und Korruption politischer Entscheider und streut Salz in die Wunden, die da im Grunde heißen: Fehlende ethisch-moralische Ziele und Vorstellungen der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Spielerisch verbanden die folgenden Alben “Combat Circus” (2006) and “Mazel Tov” (2008) politische Manifeste mit einer gehörigen Portion Party.
Spätestens “La Cretina Comedia” (2011) und “Gran Galá” zwei Jahre später begründeten den europaweiten Durchbruch des Sextetts, nicht zuletzt aufgrund der tiefgründigen Art beider Konzeptalben, die sich radikal gegen die mediale Einflußnahme und Vetternwirtschaft „Forza Italias“ richteten und zudem auf ungewohnte Weise das Leben Anti-Mafia-Kämpfers Giuseppe „Peppino“ Impastato erzählten.
„Eine Italienische Musikszene existiert schon seit Jahren nicht mehr„, so Frontsänger Dema. In den 1990ern sei Punk in Italien noch bedeutend gewesen, aber schlechte Promoter und Bands ohne jegliche Haltung hätten es mit ihrem Erfolg in ein Mafia-ähnliches System verwandelt. „Das hat Musik in Italien ruiniert.“ Daher sind TALCO froh und dankbar dafür, die richtigen Menschen kennengelernt zu haben. Denn diese ermöglichten es ihnen, ihre ersten Shows außerhalb Italiens zu spielen und konstant im Ausland zu touren.
Mit ihrem neue Album “Silent Town” knüpfen TALCO nahtlos an die konzeptionelle Erzählweise ihrer Vorgängeralben an. Als Ausgangspunkt der Reise durch den politischen Morast ihrer Heimat dient diesmal die fiktive Stadt “Silent Town”, deren Bewohner an den gleichen Symptomen leiden wie Italien: Populismus, Diskriminierung und Rassismus dominieren das Bild der Straßen, deren Fassaden grau und heruntergekommen nur wenig Hoffnung auf Besserung ausstrahlen und Horrorszenarien mangels Bildung und der Greifbarkeit von Idealen und Vorbildern befürchten lassen.
Sinnbildlich hierfür steht der dritte Song, “El Sombra”, der sich der Person des charismatischen und narzisstischen Anführers von Silent Town widmet, welcher mit seiner machtbesessenen Politik eine ganze Generation ruiniert hat. Sein einziges Interesse gilt dem Fortbestand der autoritären Regentschaft und einhergehender persönlicher Bereicherung. Parallelen zu lebenden Persönlichkeiten der Italienischen Chaosrepublik sind nicht rein zufällig. Tragischer geht es zu in “Dalla Pallida Miro”, in dem Sänger Dema über den Tod des Italienischen Jungen Federico Aldrovandi singt, der von der Polizei grundlos festgenommen und zu Tode misshandelt wurde.
Der offenkundige Missmut gegenüber den Italienischen Status Quo zum Trotz zählen TALCO die Partisanmusik – traditionelle Italienische Musik – zu einer ihrer wichtigsten Einflussquellen. Laut Dema seien sich Punk und Italienisches Songwriting gar nicht so unähnlich: „Viele Menschen denken, dass es zwischen Punk und anderen Musikstilen keine Verbindung gibt. Wir empfinden das allerdings anders, für uns überschneiden sich Punk und die Italienische Art und Weiße Songs zuschreiben auf vielen Ebenen. Gerade die Botschaft des Italienischen Songwritings der 1960er und -70er Jahre, die sich politisch und kulturell verpflichtet sah, schätzen wir sehr. Darüber hinaus haben uns die größten Italienischen Songwriter, Cristiano De Andrè und Francesco Guccini, erst auf die Idee gebracht, Konzeptalben zu schreiben.“
TALCO schaffen auf “Silent Town” fast spielerisch den Spagat zwischen anspruchsvoller, dramaturgischer und anklagender Bennung sozialer Mißstände und einer typisch südländischen Verarbeitung der Geschehnisse in tanzbare und oft auch melancholische Lieder. Musikalisch wirkt diese bipolare Herangehensweise Wunder. Hinter der Fassade feucht-fröhlicher Tanzhymnen funkeln ausgefeilte Instrumentierungen und Anspielungen auf südosteuropäische Weltmusik oder Anekdoten aus Klezmer-Klassikern. Diesen einzigartigen Stilmix tauften TALCO, in Anlehnung an Mano Chao und Mano Negra Patchanka, “Punk Chanka“ – ein Clash aus World-Punk und Combat-Ska.
Die Enttäuschung überwindet Frontmann Dema nicht nur musikalisch. Parallel zu “Silent Town” entsteht ein Roman, der die Themen des Konzeptalbums weiterführt und der in seiner Metaphorik und den surreal verwobenen Szenarien manchmal an den Franzosen Boris Vian erinnert, dessem Literaturklassiker „Schaum der Tage“ (1946) bis heute für Generationen von Außenseitern, Individualisten und Existenzialisten ein Manifest darstellt. Dema selber nennet Gabriel Josè Garcia Màrquez und dessen lateinamerkanischen „Magischen Realismus“ als einen großen Einfluss – magische Elemente werden in realistischen Situationen integriert, um die Erzählung einer langen historischen Entwicklung mit den Stilmitteln Phantastik auf Momentaufnahmen zu verdichten.
„Silent Town“ erscheint am 06.11. via Destiny Records (CD, LP ohne DL-Code, digital). Für das Frühjahr hat das Sextett eine umfangreiche Deutschlandtour angekündigt, bei der sie erneut ihrem Ruf gerecht werden wollen: Partisanenparty mit Politpunkrock verbinden. Oder wie es TALCO nennen würden: „Punk Chanka“
Die Tour wird präsentiert von Junge Welt, Melodie & Rhythmus, Ox-Fanzine, Livegigs.de, Slam Zine & Viva Con AguaJetzt Tickets für TALCO kaufen
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