Kolumne
The Voice of Germany: We can be Heroes – Just for one day?
Simon Rösch hat – meiner Meinung nach völlig zurecht – The Voice of Germany 2018 gewonnen. Im Finale der mittlerweilen achten Staffel von TVOG setzte sich der 24-jährige Student der Evangelischen Religionspädagogik aus Großrückerswalde mit über 50 Prozent der Zuschauerstimmen gegen die anderen drei Finalisten Benjamin Dolic, Jessica Schaffler und Eros Atomus Isler durch. Spätestens mit Simons Performance des Grönemeyer-Hits „Der Weg“ hat mich der junge Mann aus dem Team von Coach Michael Patrick Kelly auf seine Seite gezogen.
Quelle: YouTube / The Voice of Germany – Offiziell
Die Frage ist jetzt nur: Wie geht es weiter? Erinnert sich heute noch jemand an die Gewinner der vorherigen Staffeln – namentlich Ivy Quainoo, Nick Howard, Andreas Kümmert, Charley Ann Schmutzler, Jamie-Lee Kriewitz, Tay Schmedtmann und Natia Todua?
Was machen die ehemaligen Gewinner von The Voice of Germany heute?
Ivy Quainoo und Natia Todua nahmen am deutsche Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest 2018 teil, konnten sich hier aber nicht durchsetzen. Natia Todua sitzt darüber hinaus ab Januar 2019 zumindest in der Jury von Georgian Idol, dem Georgischen pendant zu Deutschland sucht den Superstar.
Jamie-Lee Kriewitz gewann mit ihrem Titel „Ghost“ den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2016 und vertrat Deutschland am 14. Mai 2016 im Finale in Stockholm. Dort belegte sie mit 11 Punkten den letzten Platz.
Von den anderen Gewinnern und ihrem musikalischen Schaffen ist leider in der breiten Öffentlichkeit nichts zu merken. Doch warum ist das so? Immerhin sind doch alle DIE Stimme Deutschlands geworden.
Ist „The Voice of Germany“ also ein Titel ohne Wert? So inflationär, wie Casting-Shows sich immer und immer wiederholen, scheint es fast so. Oft gut für die Quote, jedoch weniger gut für die vielen talentierten Sängerinnen und Sänger. „We can be heroes just for one day“ – David Bowie hat sie sicherlich in einem anderen Zusammenhang geschrieben, trotzdem fasst sie das Dilemma von so ziemlich jedem deutschen Castingshow-Sieger perfekt in Worte.
The Voice of Germany ist hier sicherlich nur das aktuellste Beispiel. Andere Casting-Formate stecken in der selben, selbst gemachten Zwickmühle. Es geht mir nicht darum, Castingshows zu retten. Wenn diese nicht beim Publikum ankommt, wird sie eben abgesetzt oder weiter diversifiziert. Dann gibt es eben The Voice Kids, The Voice Senior, …..
Doch wie kann man die Sänger und Sängerinnen auch zukünftig pushen und davor bewahren, wieder in der Versenkung zu verschwinden?
Möglichkeit 1: Die Gewinner von The Voice of Germany vertreten Deutschland standardmäßig beim Eurovision Song Contest
Nationale wie internationale Aufmerksamkeit der Medien und der Musikwelt wären garantiert und man würde die Halbwertzeit der Talente deutlich erhöhen. Zusätzlich hätten sie so die Chance, sich auch international zu präsentieren und für sich zu werben.
Möglichkeit 2: Musikproduzenten statt Musik-„Sternchen“ in der Jury
„Kogong, kogong, es will durch den Beton“…. Textpassagen wie diese aus einem Mark Forster Song klingen ja ganz witzig beim ersten Hören, eigentlich mag man aber als Musikfan hierüber nur den Kopf schütteln. Was die Gewinner von Castingshows langfristig und dauerhaft brauchen sind Musikproduzenten und/oder Autoren, die Songs mit „langer Haltbarkeit“ schreiben und nicht solch beliebig austauschbares „Textgut“. Man kann von Leuten wie Dieter Bohlen halten was man will – der Mann kann Hits schreiben. Herbert Grönemeyer – unbestritten einer der ganz Großen im deutschen Musikgeschäft. Auch Stefan Raab hat u.a. mit Max Mutzke und nicht zuletzt Lena Meyer-Landrut bewiesen, dass er SÄngerInnen groß rausbringen kann. Aus meiner Sicht müssten genau solche Leute für die Jury engagiert werden. Leute die wissen, wie man Hits schreibt. Leute die wissen, wie man Musiker bekannt macht. Leute mit einem Netzwerk im Hintergrund, welches unterstützend eingreifen kann. Daran mangelt es der Jury aktuell.
Stecken Castingshows in der Krise? Ich denke nicht. Vielmehr sorge ich mich um die „armen Schweine“, die sich am Ziel ihrer Träume wähnen, als Deutschlands kommenden Superstar oder The Voice of Germany.
Ab dem 27.12 startet die Tour von „The Voice of Germany – Live in Concert“, bei der Simon Rösch gemeinsam mit der The Voice Live-Band, den drei weiteren Finalisten Benjamin Dolic, Jessica Schaffler, Eros Atomus Isler sowie den zwei Wildcard-Gewinnern James Smith Jr. und Linda Alkhodor auf große Deutschland-Tour geht. Wozu wurde eigentlich noch ein Sieger gesucht, wenn sich am Ende eh Alle ein und die selbe Bühne teilen?
Ich würde es Simon Rösch wirklich wünschen, dass er sich in der Musikbranche behaupten kann und nicht schon nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwindet. Allerdings sehe ich im Moment dafür schwarz. Für andauernden Erfolg müssten sich die Casting-Formate bzw. deren Verantwortliche nämlich künftig länger und intensiver mit den Gewinnern auseinandersetzen und nicht schon mit dem Verklingen des Siegertitels in der Finalshow die nächste Staffel ankündigen – bei der dann wieder ein überaus talentierter Sänger oder eine Sängerin mit einem Titel gekürt wird, der in meinen Augen absolut nichts wert ist. Und das ist verdammt schade! Oder wie seht ihr das?
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